Wahlforum der Bürgermeisterkandidaten in Zeuthen 11. September 2017 Der nachfolgende Text wurde gemeinschaftlich von Hans-Michael Fürst und Jonas Reif verfasst. Rund 60 Zeuthener machten sich am Freitag persönlich einen Eindruck von den drei Kandidat*innen für die Bürgermeisterwahl. Zu der Veranstaltung hatte die Ortsgruppe von Bündnis 90/Die Grünen Zeuthen Eichwalde-Schulzendorf eingeladen. Die Moderation übernahmen Jonas Reif und Michael Fürst. Nach einer kurzen Vorstellung der eigenen Person galt es für Martina Mieritz (SPD, Nadine Selch (CDU) und Sven Herzberger (überparteilich, unterstützt von Bürger für Zeuthen, Linke und FDP), Fragen zu beantworten, die vorher nicht bekannt waren. Unter anderem musste in einer Multiple-Choice Runde eine von drei vorgegebenen Möglichkeiten ausgewählt werden, auch wenn diese vielleicht nicht 100prozentig den eigenen Ansichten entsprach. Hier die Fragen und die gewählten Antworten im Einzelnen Für ein wichtiges Großprojekt fehlt das Geld. Ausgabenkürzungen an anderer Stelle sind nicht möglich. Was schlagen Sie vor: A Projekt verschieben (Selch, Mieritz) B Steuern erhöhen C Kredit aufnehmen (Herzberger) Wenn das Geld nur für ein Projekt reicht: Welches hat für Sie die größte Priorität? A Bau einer zweiten Grundschule (Mieritz) B Bau eines Tunnels (Selch) C Umfassende Verbesserung der Gehweg- und Beleuchtungssituation (Herzberger). Wie bewerten Sie die Höhe des aktuellen Grundsteuerhebesatzes (365%): A Er ist zu hoch. (Selch) B Er ist genau richtig (Mieritz). C Er sollte auf den Landesdurchschnitt (400%) angepasst werden, damit die Gemeinde keine finanziellen Nachteile bei Schlüsselzuweisungen und Kreisumlage hat. (Herzberger). Braucht das Ordnungsamt mehr Personal, um für ausreichend Ordnung und Sicherheit zu sorgen? A Das Amt ist ausreichend besetzt. (Herzberger) B Dies könnte die Situation verbessern. C Externer Wachschutz an neuralgischen Punkten wäre besser. (Selch, Mieritz) Eine Videoüberwachung am Bahnhof… A. …lehne ich ab. B. …finde ich gut. (Selch, Mieritz) C. …sollte auf die Fahrradabstellanlagen beschränkt werden. (Herzberger) Zur Kita-Trägerschaft: A Die aktuelle Situation mit den kommunalen Kitas sollte so bleiben wie sie ist. B Weitere Angebote von freien Trägern wären wichtig. (Herzberger, Selch, Mieritz) C Die Kitaträgerschaft ist keine kommunale Daseinsaufgabe. Die meisten Gemeindemitarbeiter sind heute Erzieher. Das muss sich grundsätzlich ändern. In welchem Amtsbereich sehen Sie den größten Handlungsbedarf, Dinge zu verändern … A …Ortsentwicklung/Bauamt (Mieritz) B …Ordnung/Wohnungsverwaltung (Herzberger) C …Kinder/Soziales/Schule und Vereine (Selch) Die Zeuthener Waldflächen sollten… A. …vollständig erhalten bleiben. (Herzberger, Selch, Mieritz) B. …nur im Falle dringender gemeindlicher Bauten wie einer Schule angetastet werden. C. …sollten mehrheitlich erhalten bleiben. Wir brauchen aber auch Wohnraum. Da kann man Waldflächen nicht generell aussparen. In der nachfolgenden Runde standen pro Frage nur drei Minuten für alle Kandidaten zusammen zur Verfügung, ohne dass es eine Moderation gab. Die Kandidaten mussten also untereinander ausmachen, wer dran ist und wie lange er reden darf. Es ging hier also nicht nur um Sachkenntnis und Positionen, sondern auch um Fairplay und die Fähigkeit, in wenigen Worten das Wesentliche zu vermitteln. Während die ersten drei Fragen (Was werden Sie anders machen als die bisherige Bürgermeisterin?, Wofür gibt Zeuthen zu viel Geld aus? Wie schaffen Sie es, jüngere Menschen für einen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz bei der Gemeinde zu begeistern?) eher allgemein und unkonkret beantwortet wurden und Nadine Selch bei der „Wofür-zu-viel-Geld“-Frage gar nicht erst zu Wort kam, wurden die nachfolgenden Antworten auf die Fragen „gehaltvoller“. Alle Kandidaten sprachen sich dafür aus, gegen das Land zu klagen, falls die Alleebäume in der Seestraße/Goethestraße (L401) nicht erhalten bleiben. Diese Äußerung ist nicht ganz unbedeutend, wenn es um die zeitnahe Realisierung eines Ausbaus der Landestraße geht – seit Jahren fordern Anwohner der Straße eine Erneuerung mit ruhiger Asphaltdecke. Eine Klage könnte den Ausbau um Jahre verzögern. Außerdem hatte die Gemeindevertretung einer Vorplanung zugestimmt, die eine Neupflanzung der Allee vorgesehen hätte (sowie zahlreiche Ersatz-Alleebäume im Ort als zusätzliche Kompensation, aber nicht die Erhaltung der bestehenden Bäume. Zwischenzeitlich hat sich jedoch herausgestellt, dass die Bestandsbäume noch in einem sehr guten Zustand sind und der Landesbetrieb die zusätzlichen Alleebäume nicht in Zeuthen pflanzen will. Und noch ein Hinweis: Bei der Erhaltung der Bestandbäume müssten auch zukünftig die Radfahrer auf der Straße fahren). Die beiden folgenden Fragen ließen unterschiedliche Positionen der Kandidaten erkennen: Zeuthen besitzt 326 kommunale Wohnungen, die die Gemeinde selbst verwaltet. Wie soll damit zukünftig umgegangen werden? Derzeit werden durchschnittlich weniger als 5 Euro/m2 Miete für eine kommunale Wohnung fällig. Im freien Markt ist mittlerweile das Doppelte üblich. Kann sich Zeuthen das leisten? Für Martina Mieritz ist die heutige Situation weitgehend zufriedenstellend. Die kommunale Verwaltung ist leistungsfähig und Zeuthen kann sich auch zukünftig günstige Mieten leisten. Sven Herzberger sah dies differenzierter, sowohl die Verwaltung als auch die Mieten müssen in Teilen verändert werden. Wer nicht sozialbedürftig ist, aber in einer kommunalen Wohnung lebt, soll zukünftig einen markttypischen Preis zahlen. Nadine Selch wies nochmals auf die hohen Überschüsse, die seit Jahren mit den kommunalen Wohnungen erzielt werden, und den Investitionsstau hin. Sie machte dann auch den am weitestgehenden Vorschlag: Der kommunale Wohnungsbestand soll in eine Wohnungsbaugenossenschaft umgewandelt und Mieter so zu Miteigentümer werden. Die letzten Fragen kamen dann aus den Reihen der Einwohner. Eine Zeuthenerin wollte wissen: Wir finanzieren Sie eigentlich Ihren Wahlkampf? Alle drei Kandidaten gaben an, dies aus Eigenmitteln zu tun und keine Parteigelder zu nutzen. Ein junger Mann wollte wissen: Kommt ein Tunnel am Bahnhof? Und wird nun eine Tankstelle gebaut? Hier ergriff Sven Herzberger das Wort. Er glaube nicht mehr, dass die Tankstelle noch gebaut werde. Außerdem wäre er nach wie vor für den Forstweg als Tunnelstandort – nur wenn dieses nicht funktionieren würde, sollte man auch noch mal den Hankelweg betrachten. Hier sei seine Position vor 1,5 Wochen beim MAZ-Wahlforum falsch wiedergeben worden. Selch und Mieritz sprachen sich allerdings nur für den Forstweg als Tunnelstandort aus. Aus dem Publikum kam Kritik an Herzberger, weil ein Tunnel am Hankelweg den Verlust von Wald bedeuten würde – und dagegen hatte sich Sven Herzberger zuvor deutlich ausgesprochen. Herzberger versuchte dem zu begegnen, indem er vorschlug, dafür die Miersdorfer Chaussee zurückzubauen und wieder in Wald zu verwandeln. Zuletzt wollte ein Zeuthener erfahren, wie ernst es die Kandidaten mit ihren Versprechungen nehmen würden: Martina Mieritz, die sonst eher ausführliche Antworten bevorzugte, machte es kurz: Ich schwöre. Nadine Selch argumentierte, dass sie ja aufgrund ihres Alters (39) auf jeden Fall noch mal gewählt werden will und schon deshalb nicht Lügen dürfe. Daraufhin „protestierten“ Herzberger und Mieritz – auch wenn sie schon etwas älter sind, wollten sie schließlich auch für mehr als 8 Jahre Bürgermeister werden. Somit gelte dieses Argument auch für sie. Nach knapp 100 Minuten waren die Kandidaten sichtlich erschöpft – die Organisatoren hatten sie nicht nur mit den Fragen in Schwitzen gebracht, sondern durch stark rationiertes Trinkwasser auch unter zusätzlichen Stressbedingungen geprüft.