Sollten sich Zeuthen, Eichwalde und Schulzendorf zusammenschließen?

Es gibt Ideen, die bei vielen sofort eine Abwehrhaltung
hervorrufen. Dazu gehört auch der Vorschlag,  Gemeinden zusammenzulegen. Warum
soll man seine Autonomie aufgeben? In der Vergangenheit hat es doch auch
alleine geklappt. Und außerdem sind die Gemeinden, mit denen man vereint werden
soll, doch bestimmt „schlechte Bräute“ – haben also (mehr) Schulden und sind
irgendwie anders. Und eines scheint ja auch ganz klar zu sein: Wenn man Gemeinden zusammenschließt,
dann bedeutet das für den Bürger längere Wege und weniger Bürgernähe.

Doch so
einfach ist die Situation nicht, und es lohnt sich, die Argumente genau
abzuwägen.
Die Ausgangssituation: Zeuthen (etwa 11000 Einwohner),
Eichwalde (6500 EW) und Schulzendorf (7800 EW) haben eine ähnliche Siedlungsstruktur
und Gliederung: Es handelt sich um Orte mit hoher Wohn- und Lebensqualität und
gewachsener Durchgrünung. Das Gewerbe ist weitgehend auf die lokalen
Erfordernisse ausgerichtet und mit dem Wohnstandort vereinbar. Der Handel ist
etwas schwächer ausgeprägt, als es die Einwohnerzahl erlauben würde. Dies
erklärt sich aber mit entsprechenden Angeboten in Wildau, Schönefeld und dem angrenzenden
Berlin.
Die drei Gemeinden bilden ein zusammenhängendes
Siedlungsgebiet, dessen Grenzen ohne die Ortsschilder kaum erkennbar wären. Zeuthen
hat aufgrund des Zusammenschlusses mit Miersdorf zwei erkennbare Zentren,
Eichwalde eines und Schulzendorf eines, welches sich aber erst in den letzten
Jahren als solches durch den Rathausneubau und die umliegenden Handelsflächen
entwickelt hat. Alt-Schulzendorf als Ortsursprung hat heute keine funktionale
Bedeutung mehr.
Seit den 1990er Jahren gibt es zwischen den drei Gemeinden eine interkommunale Zusammenarbeit in den Bereichen Einwohnermelde- und
Standesamtswesen sowie beim Rechnungsprüfungsamt. Auch die Kultur- und
Jugendarbeit wird gemeinsam koordiniert (zusammen mit Wildau). Die
Zusammenarbeit funktioniert weitgehend reibungslos und wird von den
Bürgern nicht in Frage gestellt.
Finanzielle Situation
Der Schuldenstand der drei Gemeinden ist in etwa
vergleichbar (etwa 100€/pro Einwohner in 2016) und liegt damit deutlich unter
dem Schnitt Brandenburgs (3147€/EW in 2014) und der deutschen Flächenländer
(4381€/EW in 2014). Schwieriger ist es derzeit, das Vermögen zu bewerten, da
die Gemeinden mit den Haushaltsabschlüssen teilweise mehrere Jahre im Rückstand
sind (letzter verabschiedeter HH-Abschluss in Zeuthen war z.B. 2010). Neben den
selbstgenutzten Verwaltungsgebäuden, Bildungsstandorten und Sportanlagen sowie den
sozial und kulturell genutzten Gebäuden gehören hierzu auch Wohnimmobilien, die
Erträge erwirtschaften. Mit über 320 Wohneinheiten verfügt Zeuthen über
deutlich mehr als Eichwalde und Schulzendorf (jeweils unter 100). Aussagen über
einen Investitionsrückstau oder über den Wert von Straßen und sonstigem Anlagevermögen
können wohl nur Experten leisten.

Entwicklungsperspektiven

Wie ein Damoklesschwert hängt über der Entwicklung der drei
Gemeinden die Auswirkungen der Ende 2017 zu erwartenden BER-Eröffnung: Wird die
Lebensqualität zu halten sein? Die im vergangenen Jahr zeitweise genutzte
Südbahn bot bereits ein Vorgeschmack auf die Zukunft, wobei sich der
Flugverkehr gegenüber 2015 in etwa vervierfachen dürfte. Besonders der zwingend gerade
durchzuführende, relativ niedrige Anflug ließ einige Schulzendorfer schon an
einen Umzug denken. Während Eichwalde dadurch ebenfalls deutlich betroffen war,
waren die Auswirkungen in Zeuthen kaum spürbar. Allerdings wurde auch noch
keine „Hoffmann-Kurve“ geflogen, die beim Start eine andere Flugbahn verwendet
als bei der Landung. Feststellbar war jedoch, dass startende Flugzeuge
schneller an Höhe gewinnen und dadurch die negativen Auswirkungen (zumindest
subjektiv) geringer waren.
Eichwalde hat aufgrund seiner geringen Fläche (2,79km²) und
fast vollständigen Bebauung kaum noch Entwicklungsmöglichkeiten. Auch eine
stärkere Verdichtung ist nicht ohne Minderung der Lebensqualität möglich. Auch
für die kommunale Bautätigkeit stehen kaum noch Flächen zu Verfügung. Etwas
besser sieht es in dieser Hinsicht in Zeuthen (12,68km²) aus, wobei sich auch hier die
Entwicklungsflächen langsam dem Ende nähern. Auch Schulzendorf (9,1km²) kann sich
aufgrund des Flughafens nur noch bedingt ausdehnen. In allen drei Gemeinden ist
daher ein flächen-schonenden Umgang notwendig, wenn man zukünftigen
Generationen noch Entwicklungsmöglichkeiten bieten will.
Alle drei Gemeinden stehen derzeit vor der Herausforderung,
neue Kita-, Hort- und Schulplätze zu schaffen, da die Orte weiter wachsen, Betreuungsangebote
verstärkt angenommen und höhere Qualitätsanforderungen dies notwendig machen.
Weiterhin müssen sowohl Zeuthen als auch Eichwalde Lösungen finden, wie die
Bahnsteige zukünftig barrierefrei erreichbar sind beziehungsweise wie die Bahntrasse
schrankenlos passiert werden kann.  Fest
steht bereits heute: Diese Lösungen werden die Gemeinden finanziell erheblich
belasten.
Verwaltungssituation
Mit Ausnahme des Standes-, Einwohnermelde- und
Rechnungsprüfungsamtes verfügen die drei Gemeinden über vollständige „Verwaltungsapparate“,
die alle Aufgaben der kommunalen Selbstverwaltung erfüllen müssen. Zumindest
aus Zeuthener Sicht zeigte sich, dass sich mit der bestehenden
Personalsituation die Aufgaben im schwerer erfüllen lassen. Immer wieder kam
oder kommt es zur erheblichen Verzögerungen von Bauprojekten, Haushaltsabschlüsse
können nicht innerhalb eines angemessen Zeitraums erfolgen und fehlende
Fachkompetenz muss teuer in Form von Gutachten hinzugekauft werden. Sicherlich
ließe sich der Personalbestand erhöhen um die Defizite auszugleichen, dies würde
aber eine erhebliche finanzielle Mehrbelastung bedeuten und letztlich
Steuererhöhungen nach sich ziehen. Andererseits ließ sich in den vergangenen
Jahren beobachten, dass die drei Gemeinden mehrfach das Rad für sich selbst neu
erfinden mussten – jeder musste etwa Satzungen neu konzipieren, Dienstleistungen
ausschreiben oder Konzepte entwickeln. Die Konzentration von Fachwissen auf einzelne
Mitarbeiten und engere Zuständigkeitsbereiche sind jedoch bei den dünnen
Personaldecken in den einzelnen Verwaltungen kaum möglich.
Zudem hat sich die Situation am Arbeits-
und Ausbildungsmarkt deutlich entspannt. Dies wirkt sich auch bei den
Bewerberzahlen – und vermutlich auch bei der Qualität der Bewerber im
Durchschnitt – aus. Die Verwaltungen sind jedoch auf leistungsfähige
Mitarbeiter angewiesen, wenn sie ihr Niveau halten wollen. Kleinere
Verwaltungen bieten allgemein weniger Aufstiegs- und
Qualifikationsmöglichkeiten als größere Verwaltungen, in denen etwa
Fortbildungen meist professionell(er) organisiert werden können. 
Die Grenzen der interkommunalen Zusammenarbeit
Ein Zusammenschluss ist nicht alternativlos, aber die anderen Alternativen haben sicherlich auch Schwächen. Bei einem Workshop der Heinrich-Böll-Stiftung in Herbst 2015 in Zeuthen machten Experten deutlich, dass die interkommunale Zusammenarbeit einerseits Potentiale bietet, aber ab einer gewissen Dimension auch immer deutlicher an Grenzen stößt. Jede einzelne Zusammenarbeit muss internsiv vorbereitet werden, erfordert intensive Abstimmung aller Beteiligten vor und während der Kooperation und braucht bis zum eigentlichen Start oft viel Zeit. Zudem setzen Verwaltungsgrenzen und Landesrecht oft Schranken, die nur bedingt geöffnet werden können. Ab einer bestimmten Anzahl von „Zusammenarbeit“ stellt sich somit zwangsläufig die Frage, warum man nicht gleich zusammengeht. 
Und Ideen zur besseren Zusammenarbeit gibt es viele:
– gemeinsamer Bauhof
– gemeinsames Ausschreibungswesen
– bessere Abstimmung im Feuerwehr-Bereich (Warum brauchen alle drei Gemeinden etwa ein Drehleiterfahrzeug, wo es doch kaum Gebäude gibt, für die man solch ein Fahrzeug benötigt?)
– gemeinsame Wohnungsverwaltung
– gemeinsame Kita-, Hort- und Schul-Bedarfsplanung und Angebote
– gemeinsames Verkehrskonzept
– usw.
Besonders das Thema der gemeinsamen Kita-,Hort- und Schulplatzplanung drängt derzeit, da bei allen Gemeinden Handlungsdruck herscht und bei einem abgestimmten Vorgehen für alle Kosten reduziert werden können.
Vertrauen schaffen, Transparenz handeln
Nicht alles lässt sich sinnvoll basisdemokratisch entscheiden. Umso wichtiger ist es, dass Beweggründe und Schritte nachvollziehbar dokumentiert und kommuniziert werden. Dazu gehört auch, dass man erklärt, warum Alternativen verworfen wurden. Betroffene sind anzuhören und ihre Hinweise bei Abwägungen zu berücksichtigen. Die heutigen Informationstechnologien machen es einfach, diese Transparenz ohne größere Kosten zu gewährleisten – es muss nur gewollt werden.
Jede Veranstaltung und jedes Treffen, von der Bürger, Verwaltungsmitarbeiter oder die Presse ausgeschlossen werden, nähren den Verdacht, dass Entscheidungen hinter verschlossenen Türen gefällt werden und nicht-objektive, parteipolitische Gründe von Bedeutung sein könnten.  
Ängste nehmen, Potentiale und Chancen in den Vordergrund rücken
In Zeiten der Globalisierung und eines „immer schneller, immer weiter“ gewinnt „Heimat“ und „Identität“ an Bedeutung. Wenn hier „aus heiterem Himmel“ Veränderungen drohen, ist eine Skepsis daran nicht verwunderlich. Aus diesem Grunde ist es zwingend erforderlich, nicht nur die Notwendigkeit für einen solchen Schritt zu erklären, sondern auch Vorteile für jeden einzelnen sichtbar zu machen. So würde es bei einem Zusammenschluss kaum zu längeren Verwaltungswegen führen, da die meisten Behördenkontakte ohnehin nur mit dem (gemeinsamen) Einwohnermeldeamt bestehen. Eine Erweiterung der Öffnungszeiten könnte hier (und in anderen Ämtern) eine qualitative Verbesserung für die Bürger darstellen.
Bei einem Zusammenschluss sollte die Verbesserung von Dienstleistungen am Bürger im Vordergrund stehen und nicht Kosteneinsparungen, die sich ohnehin nur in einem kleinen Rahmen realisieren lassen und die der Bürger kaum spüren wird.
Es ist verständlich, dass bei Verwaltungsmitarbeitern große Ängste vorherrschen – schließlich kann es in einer gemeinsamen Verwaltung jeweils nur einen Amts- oder Sachgebietsleiter für ein Aufgabenfeld geben. Auch der Verlust des gewohnten Arbeitsortes oder Kollegenkreises wird von der Mehrzahl der Beschäftigen bei vergleichbaren Zusammenlegen oft als kritisch angesehen. Hier ist es zwingend erforderlich die Fähigkeiten und Interessen jedes einzelnen Mitarbeiters in den Vordergrund zu stellen, damit man für diese individuell nach dem besten Arbeitsplatz im neuen Umfeld sucht. Außerdem sollten verstärkt Fortbildungsmöglichkeiten angeboten werden, die neben fachlichen Qualifikationen auch die Motivation für die neue Tätigkeit verbessern. Kein Mitarbeiter sollte dass Gefühl haben, dass die Zusammenlegung für ihn zu einer Verschlechterung führt.
Warum nicht mit Wildau?
Besonders in Zeuthen wird oft die Frage gestellt, warum man immer nur nach Norden blickt und nicht nach Süden, also nach Wildau. Auch hier gibt es ein gemeinsames Siedlungsgebiet. Außerdem weckt der Gedanke eines Zusammenschlusses mit der Nachbarstadt die Hoffnung, von großen Gewerbesteuereinnahmen zu profitieren. Außerdem wäre man ja dann auch eine Universitätsstadt…
Im Gegensatz zu Zeuthen, Eichwalde und Schulzendorf hat Wildau eine deutlich abweichende Struktur. Damit ist nicht nur die höhere Gewichtung von Gewerbe, Handel und Industrie, der in den letzten Jahren deutlich gewachsenen Bedeutung als Bildungsstandort und der Stadt-Status gemeint: In Wildau lebt überschlägig jeder zweite Bürger in einer Mietswohnung, in Zeuthen dürfte es nur jeder Zehnte sein und in Schulzendorf und Eichwalde vielleicht jeder Zwanzigste. Dies erfordert zwangsläufig eine anderes Angebot an sozialer, kultureller und Sportstätten-Infrastruktur. Dabei erwies sich zum Beispiel das Wildorado in den vergangenen Jahren als ein erheblicher Kostenverursacher. Zudem ist die einseitige Orientierung auf Gewerbesteuern mit einem hohen finanziellen Risiko verbunden, da die Einnahmen deutlich volatiler sind. Wildau hat sich in der letzten Zeit zudem stärker an einer Zusammenarbeit mit Königs Wusterhausen und Schönefeld interessiert gezeigt. Ein Zusammenschluss unter Einbeziehung von Wildau würde zudem bedeuten, dass der „Mittelpunkt“ der neuen Kommune zwangsläufig weiter nach Süden rutschen würde, was nicht im Interesse von Eichwalde und Schulzendorf liegen dürfte.

Ob ein Zusammenschluss derzeit sinnvoll ist, lässt sich nicht abschließend beantworten. Es gibt jedoch genug Argumente, es ernsthaft intensiv zu prüfen.

Hinweis: Die hier dargestellten Gedanken stellen nur die Meinung von Jonas Reif dar. Sollten Angaben fehlerhaft sein, würde ich mich über Korrekturhinweise freuen.