Mietwohnraum schaffen – Zusammenfassung der Veranstaltung 14. November 201624. April 2024 (Der nachfolgende Text stammt von Jonas Reif, Michael Fürst und Andreas Körner) Unter dem Motto „Bezahlbaren und generationengerechten Wohnraum schaffen“ veranstalteten die Wählerinitiative Eichwalde (WIE) und die GRÜNEN aus Zeuthen, Eichwalde und Schulzendorf am 11.11.2016 in der Eichwalder Feuerwache eine Diskussionsveranstaltung, zu der etwa 50 Personen kamen. Andreas Körner (GRÜNE Schulzendorf) wies in seiner Begrüßung darauf hin, dass v.a. Zeuthen und Schulzendorf auf Grund ihrer Nähe zu Berlin und Schönefeld mit erheblichem Zuzug aus dem ländlichen und Berliner Raum rechnen müssen. Bis zum Jahr 2030 sollen nach Schätzungen des jüngsten Landesentwicklungsplans in den drei Gemeinden ca. 1.000 Wohneinheiten entstehen. Angesichts der steigenden Mieten und der strukturell älter werdenden Gesellschaft wolle man mit den Gästen nach Wegen suchen, bezahlbaren und altersgerechten Wohnraum zu schaffen. Der Moderator, Jörg Jennoch (WIE) bat zunächst die drei geladenen Gäste um eine kurze Einführung in das Thema. Frau Britta Hecht von der „Fachstelle für Altern und Pflege im Quartier“ (FAPiQ) berichtete über ihr von der Landesregierung gefördertes Modellprojekt, das 2015 an fünf Standorten die Arbeit aufnahm. Ziel sei es, älteren Menschen möglichst lange ein selbstbestimmtes Leben in vertrauter Umgebung zu ermöglichen. Die meisten Menschen wollten in den Orten alt und gepflegt werden, in denen sie den Großteil ihres Lebens verbracht haben. Neben Pflegediensten und Pflegeeinrichtungen würden immer mehr unterstützende Wohnformen, aktive Freunde und Nachbarn und zivilgesellschaftliches Engagement gebraucht. Das Modellprojekt verfolge dabei mehrere Arbeitsschwerpunkte, darunter auch das Thema neue Wohnformen für Ältere und Pflegebedürftige. Die Fachstelle biete hier Beratungsmöglichkeiten für Kommunen, Vereine, Handwerker usw. an. Anschließend erläuterte Frank Kerber von der Wildauer Wohnungsbaugesellschaft (WiWo), dass es in erster Linie um bedarfsgerechten Wohnraum für verschiedene Zielgruppen ginge. Es seien eben nicht nur Leute, die sich keine Häuser leisten können, sondern auch solche, die keine (mehr) benötigen würden: RentnerInnen, junge Menschen und Personen, die aus Arbeitsgründen hier ihren Zweitwohnsitz haben. Auch Scheidungsfamilien, wo ein Elternteil den gemeinsamen Wohnsitz verlasse, gehörten zu den regelmäßigen Kunden seiner Wohnungsbaugesellschaft. Frank Kerber sprach dann ein wichtiges Thema der Veranstaltung an: Wie kann man preiswerten Wohnraum schaffen. Er nahm dabei die Hoffnung, dass beim Neubau Mieten deutlich unter 10€/m² möglich sind. Auch die öffentlichen Förderprogramme des Landes seien angesichts der Auflagen in der derzeitigen Niedrigzinsphase wenig attraktiv. „Wir können jedoch Wohnungen bauen, die sehr kompakt gestaltet sind und orientieren uns dabei an DDR-Plattenbauten – aber mit größeren Bädern und Fenstern“. So können auch 3- und 4-Raum-Wohnungen mit relativ wenigen Quadratmetern realisiert werden. Die sind dann deutlich preiswerter als vergleichbare Wohnungen mit der gleichen Raumanzahl. Gregor Haeger von der Arbeiterwohlfahrt Regionalverband Brandenburg Süd erläuterte zunächst Faktoren, die beim Neubau die Mietpreise in die Höhe trieben. Als wichtige Stellgröße nannte er die zulässige Gebäudegröße (Geschosshöhe/ Grundflächenzahl). Man könne zwar keinen Bodenpreis verändern, jedoch bestehe in den Gemeinden die Möglichkeit, die Bebaubarkeit eines Grundstücks deutlich zu erhöhen. Dadurch würde die Miethöhe schon etwas sinken können. Eine solche innerörtliche Verdichtung ist, wie sich in der Diskussion zeigte, nicht unumstritten. Holger Schmidt, Haus- und Immobilienverwalter aus Eichwalde, machte auf die fehlende Bereitschaft der Gemeinde Eichwalde aufmerksam, derartiges zu unterstützen. Er hätte in der Vergangenheit mehrfach erfolglos versucht, größere Gebäude zu errichten. Der Eichwalder Bürgermeister, Bernd Speer, der ebenfalls im Publikum saß, verteidigte sich: Er sei an den Flächennutzungsplan gebunden – es stehe natürlich den Gemeindevertretern frei, etwas daran zu ändern. Eine weitere Zuhörerin, Sabine Peter, machte jedoch deutlich, dass sie den Bau von weiteren „Kloppern“ ablehne: Das würde schließlich bedeuten, dass es bald noch weniger Grün gibt. Zwischenzeitlich wurde den Gemeindevertretern Gelegenheit gegeben, die aktuelle Situation in den Kommunen darzustellen. Jonas Reif, Grüner Gemeindevertreter aus Zeuthen, verwies auf den relativ hohen Anteil kommunaler Wohnungen in Zeuthen. Allerdings befände sich von den 326 Wohnungen längst nicht alle in größeren Wohneinheiten, sondern auch in Ein- und Zwei-Familienhäusern, was sehr untypisch sei. Bereits seit 2012, als es fast keinen Leerstand mehr gab, habe die Fraktion GRÜNE/FDP darauf hingewiesen, hier zu handeln. 2013 habe man einen Antrag eingebracht, dass die Verwaltung Möglichkeiten zum Bau neuer Wohnungen prüfen solle – bislang ohne nennenswertes Ergebnis. Besonders schockierend sei, das Zeuthen von seine Wohnungen lebe. Jedes Jahr werde ein größerer 6-stelliger Betrag aus der Wohnungswirtschaft entnommen, um die allgemeinen Ausgaben zu decken – 2015 über 640.000€. „Wir fordern schon länger, dass die Gewinne aus den Mieten wieder in den Wohnraum investiert werden – sei es um energetisch zu sanieren, wirklich barrierefreien Wohnraum zu schaffen oder gar den Wohnungsbestand zu erhöhen.“ Die Verwaltung habe bereits vor 1,5 Jahren angekündigt, ein Konzept für die Zukunft der Wohnungsbewirtschaftung vorzulegen. „Da dies noch immer nicht der Fall ist, muss davon ausgegangen werden, dass wir es nicht selbst können“ zieht Jonas Reif Bilanz. „Für mich wäre eine Fremdbewirtschaftung durch eine regional verankerte Wohnungsbaugesellschaft mit Blick auf die positive Bilanz der WiWo eine echte Option. „Die können jedenfalls Wohnungen sanieren und bauen.“ Als ein weiteres Problem benannte Jonas Reif die bislang fehlende Bereitschaft anderer Gemeindevertreter, in Bebauungsplänen stärker auf den Bau von Mietwohnungen hinzuwirken. „Es darf hier nicht nur um die Interessen der Investoren gehen, die bevorzugt Einfamilienhäuser bauen“. Auch auf gemeindeeigenen Grundstücken, die oft um die 1000m² groß sind, könnte man Mietwohnraum schaffen. Eine Lösung könnte ein „Haustyp Zeuthen“ sein: Ein 2,5 geschossiger Bau mit 6 Wohneinheiten, die unteren beiden barrierefrei. So ein Bau könnte man nach §34 auf vielen Grundstücken errichten und würde sich städtebaulich gut einfügen, ist sich Jonas Reif sicher. Andreas Körner berichtete von den Diskussionen in Schulzendorf. Laut Bevölkerungsprognosen wird die Gemeinde in den kommenden 15 Jahren weiter wachsen, vor allem aber würde der Anteil der über 65-jährigen deutlich ansteigen. Es werde privat gebaut, vor allem Einfamilienhäuser. Über 90 Prozent der Wohngebäude seien Einfamilienhäuser und es gäbe im Ort wenig Mietwohnungen. Junge Menschen müssten häufig auf andere Orte ausweichen; aber auch Alleinstehende, die ihr Eigenheim nicht mehr bewirtschaften könnten, fehlen Mietwohnungen. Es gäbe mehrere Bebauungspläne mit mehr als 200.000 m², aber dort ginge seit Jahren nichts voran. Die Gemeinde habe nur ein dutzend kommunale Wohnungen. Nach längerer Diskussion habe man sich im September fraktionsübergreifend auf einen Antrag geeinigt, mehrere Optionen von der Verwaltung prüfen zu lassen. Zum einen ginge es darum, eine Wohnungspolitische Umsetzungsstrategie, v.a. für das Umfeld des alten Gemeindeamtes zu entwickeln und hierfür nach Förderprogrammen Ausschau zu halten. Zum anderen ginge es darum, zu prüfen, inwieweit die Gründung einer kommunalen Wohnungsbaugesellschaft oder die Kooperation mit anderen Wohnungsbaugesellschaften eine Option wäre. Der Vorschlag von Herrn Kerber, zunächst eine Gesellschaft ohne teure Overhead-Kosten zu gründen, und im Rahmen von Geschäftsbesorgungsverträgen – z.B. mit der WiWo – einzelne Projekte voranzutreiben, werde dabei besonders interessiert geprüft. Das dritte Element des gemeinsamen Antrags sei es, die Möglichkeiten des Baurechts bei der Schaffung von belegungs- oder mietpreisgebundem Wohnraum stärker zu nutzen. In diesem Zusammenhang soll die Verwaltung prüfen, inwieweit das „Münchner Modell“ für eine sozialgerechte Bodennutzung auf die kommunale Situation übertragbar ist. Dabei geht es darum, Grundsätze für eine angemessene Beteiligung der Investoren an den Folgekosten (Straßen, Schulen, Kitas) zu formulieren. Auch Eichwalde verfügt, so Jörg Jennoch, kaum über Kommunalen Wohnraum. Auf Grund der hohen Einwohnerdichte gebe es kaum Möglichkeiten, im großen Stil Wohnungen zu bauen. Das Hauptprojekt sei gegenwärtig die Planung am Chopinplatz. Umso mehr sei man daran interessiert, dass auf den wenigen Grundstücken etwas geschehe. Jörg Jenoch und Gäste aus dem Publikum fragten daher Gregor Haeger nach den Umsetzungsplänen. Die AWO ist seit mehreren Jahren im Besitz einer Fläche in der Tschaikowskystraße, ohne das bislang – zum Unmut einiger Anwesender – etwas geschehen ist. Haeger erwiderte, dass sich die Rahmenbedingungen verändert hätten. 2017 werde man aber die endgültigen Pläne vorstellen. Zum Abschluss wurde nochmal das Thema „Bezahlbarer Wohnraum“ angesprochen. Was heißt denn das genau, wollte eine Zuhörerin wissen. Auf eine genaue Summe wollte sich keiner festlegen. Letztendlich hänge dies auch vom verfügbaren Einkommen ab. Als Faustregel könne man von 25 – 30 % des Einkommens ausgehen. Fest steht, dass beim Bau Vorgaben existierten, die wirklich niedrige Quadratmeterpreise ausschließen. Zwar sind die Zinsen niedrig, aber die Grundstücks- und Baupreise enorm gestiegen. Einig war man sich indes, dass jede zusätzliche Mietwohnung wichtig sei.